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Streitthema Elternunterhalt

Haften Kinder wirklich für ihre Eltern?

„Eltern haften für ihre Kinder!“ Dieses Sprüchlein finden Sie auf Schildern an nahezu jeder Baustelle. Frisst Ihr Spross dort etwas aus, zahlen Sie den Preis. Aber wussten Sie, dass in Sachen Pflegekosten das Gegenteil gilt – jedenfalls in vielen Fällen? Reicht das Kapital der Eltern nicht für die Abdeckung der Pflegelücke zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung und den tatsächlichen Pflegekosten aus, bittet der Staat häufig die Nachkommen zur Kasse.

Und das kann im Einzelfall eine sehr teure Angelegenheit sein. Aber warum haften Kinder überhaupt für ihre Eltern? Ab welcher Einkommensgrenze kann mich der Staat für die Pflegekosten heranziehen? Und wie kann ich dem Elternunterhalt widersprechen? Diese und viele weitere Fragen möchten wir im Rahmen dieses Ratgebers beantworten.

Haften Kinder wirklich für ihre Eltern?

Warum überhaupt Elternunterhalt?

Wird ein Mensch in Deutschland pflegebedürftig, wird es schnell teuer. Dabei gilt die einfache Regel: je höher der Pflegebedarf, desto höher die Kosten. Um eine Vorstellung von den tatsächlichen Kosten zu bekommen, nehmen wir einmal die Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts zur Hilfe. Demnach kostet der Aufenthalt in einem Pflegeheim im Bundesdurchschnitt im Pflegegrad 4 oder 5 rund 3.400 Euro.

Derzeit übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung davon in Pflegegrad 4 1.775 Euro und in Pflegegrad 5 2.005 Euro. Ist keine private Pflegezusatzversicherung vorhanden, muss der Pflegebedürftige den Rest aus eigener Tasche zahlen.

Neben dem regelmäßigen Einkommen aus Renten wird auch das Vermögen, zum Beispiel Aktien, Immobilien, Gold, Schmuck und diverse Wertpapiere, herangezogen. Reicht auch das nicht mehr aus, springt zunächst der Sozialstaat in die Bresche. Dieser kann sich allerdings die Auslagen von den Nachkommen des Pflegebedürftigen zurückholen. Dabei handelt es sich um den Elternunterhalt – sprich: Kinder haften für ihre Eltern.

So berücksichtigt der Staat das Einkommen und Vermögen der Pflegebedürftigen

Der Staat springt nur dann ein, wenn der Pflegebedürftige nicht mehr dazu in der Lage ist, die Kosten zu tragen. Das betrifft sämtliche Einkünfte aus Renten, Kapitalerträgen und Vermietungen sowie Vermögenswerte wie die selbstgenutzte Immobilie. Unter Umständen kann sich das Sozialamt als Träger der Leistungen sogar eine Grundschuld auf Ihr Haus eintragen lassen.

Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Ehepartner noch im eigenen Haus bzw. der Wohnung lebt. Dann fällt die Immobilie unter das Schonvermögen. Auch allgemein steht jedem Pflegebedürftigen ein Schonvermögen zu. Dieses beträgt bei alleinstehenden Personen allerdings nur 5.000 Euro. Bei Ehepaaren beläuft sich diese Reserve entsprechend auf 10.000 Euro.

Wer muss Elternunterhalt zahlen?

Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber vor, dass ausschließlich Verwandte ersten Grades zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichtet sind. Das betrifft entsprechend Kinder, die Unterhalt für ihre Eltern zahlen. Und auf der anderen Seite (wie es klassischerweise ist) Eltern, die Unterhalt für ihre Kinder leisten.

Schwiegerkinder sind dagegen nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet, da sie mit ihren Schwiegereltern nicht verwandt sind. Auch Enkel können ebenso wie Cousins, Cousinen und Geschwister nicht zu Unterhaltsleistungen wie etwa dem Elternunterhalt herangezogen werden. Wenn überhaupt sind nur die Kinder der Pflegebedürftigen zum Elternunterhalt verpflichtet.

Achtung: Das Sozialamt hat die Erlaubnis, die pflegebedürftigen Eltern zu den Einkommensverhältnissen ihrer Kinder zu befragen. Kommt das Sozialamt auf Basis der Prüfung zu dem Ergebnis, dass das Einkommen über der Freigrenze liegt, wird dies genau geprüft.

Ab wann muss ich Elternunterhalt zahlen?

Auch wenn das Thema bisher vielleicht erschreckend klingt und so manchem das Herz in die Hose rutschen lässt, wollen wir Sie an dieser Stelle beruhigen. Den Elternunterhalt müssen lange nicht alle Kinder zahlen, wenn ihre Eltern pflegebedürftig werden und die Kosten nicht allein tragen können.

Zum 1. Januar 2020 hat sich die Situation für potenziell unterhaltspflichtige Kinder sogar nochmals verbessert. Nach der Gesetzesänderung wurde die Einkommensgrenze für die Pflicht zum Elternunterhalt auf 100.000 Euro nach oben gesetzt. Damit sind alle Bruttoeinkommen unterhalb dieses Betrags vom Elternunterhalt befreit.

Wer darüber liegt, ist jedoch weiterhin zur Zahlung verpflichtet. Unter dem Strich hat die Änderung dazu geführt, dass rund 90 Prozent aller Angehörigen vom Staat nicht mehr für die Pflegekosten ihrer Angehörigen herangezogen werden können. Damit hat der Staat zuletzt viel für die Entlastung der Bürger getan.

Sonderregel: Wann Sie keinen Elternunterhalt zahlen müssen

Wie so oft gilt in Deutschland der Grundsatz: keine Regel ohne Ausnahme und kein Gesetz ohne „Schlupfloch“. In Härtefällen kann der Anspruch der Eltern auf Unterhalt nämlich auch ganz oder zumindest teilweise erlöschen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich Ihre Eltern erheblicher Verfehlungen schuldig gemacht haben.

Dabei geht es in erste Linie um schwere Vergehen wie Vernachlässigung oder Misshandlung. Insbesondere in den Zeiträumen, in denen sie noch erzieherisch verantwortlich waren. Der bloße Kontaktabbruch reicht für das Erlöschen der Unterhaltspflicht in der Regel nicht aus.

Berechnungsgrundlage und Selbstbehalt

Die Höhe des zu zahlenden Elternunterhalts hängt sowohl vom Jahresbruttoeinkommen als auch vom Selbstbehalt ab. Ausschlaggebend ist zunächst das durchschnittliche Nettoeinkommen. Während das Sozialamt bei Arbeitnehmern das Nettogehalt der vergangenen zwölf Monate vor dem Beginn des Unterhaltsbedarfs heranzieht, ist der Zeitraum bei Selbstständigen länger.

Hier ist es das Durchschnittseinkommen der vergangenen drei bis fünf Jahre. Der längere Zeitraum soll etwaige Einkommensschwankungen von Selbstständigen ausgleichen. Ausgehend von diesem Nettoeinkommen lassen sich weitere Kosten abziehen. Dazu zählen unter anderem:

  • Krankheitsbedingte Aufwendungen
  • Kosten für die allgemeine Krankenvorsorge
  • Berufsbedingte Aufwendungen wie Fahrtkosten
  • Kosten für die private Altersvorsorge (bis zu 5 Prozent des Bruttoeinkommens) XII ZR 140/07
  • Darlehensverbindlichkeiten (vor allem Zins- und Tilgungszahlungen der Baufinanzierung)
  • Aufwendungen für den regelmäßigen Besuch des Pflegebedürftigen
  • Tatsächlich nachgewiesene Mietkosten
  • Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und Ehepartnern (diese haben Vorrang gegenüber Elternunterhalt)

Sind diese Posten abgezogen, ist die Rechnung noch nicht beendet. Unser Staat gesteht Unterhaltspflichtigen nämlich auch einen Selbstbehalt zu. Der Selbstbehalt berechnet sich nach der aktuellen „Düsseldorfer Tabelle“.

Demnach liegt der Selbstbehalt in Sachen Elternunterhalt bei Alleinstehenden Kindern bei 2.000 Euro. Ist ein unterhaltspflichtiges Kind verheiratet, kommen weitere 1.600 Euro dazu. Dieser sogenannte Familienselbstbehalt beträgt aktuell (2020) 3.600 Euro. Weniger als dieser Betrag darf einem Unterhaltspflichtigen also niemals übrig bleiben.

Achtung: Zum Bruttojahreseinkommen gehört nicht nur das Arbeitseinkommen. Bei der Berechnung zählt das Gesamteinkommen, zu dem auch sonstige Einkünfte wie Zinsen, Dividenden, anderweitige Kapitalerträge sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehören.

Beispiel: Wie viel Elternunterhalt muss ich zahlen?

Die letztendliche Zahllast lässt sich am besten anhand eines Beispiels einschätzen. Gehen wir einmal von einem ledigen Kind mit einem Jahresbruttoeinkommen von 120.000 Euro aus. Abzüglich der abziehbaren Werbungskosten in Höhe von 6.000 Euro bleiben noch 104.000 Euro übrig.

Damit liegt das Jahresbruttoeinkommen noch immer über der Einkommensgrenze von 100.000 Euro. Es besteht also eine Unterhaltspflicht. Da sich das ledige Kind in der Steuerklasse I befindet, liegt das monatliche Nettoeinkommen bei ca. 4.950 Euro. Von diesem Monatsnettoeinkommen wird nun der Selbstbehalt in Höhe von 2.000 Euro abgezogen.

Unter dem Strich bleibt ein heranziehbares Nettoeinkommen von 2.950 Euro übrig. Der Unterhaltsanspruch liegt bei 50 Prozent des heranziehbaren Einkommens. Daraus ergibt sich ein monatlicher Zuschlag von 1.475 Euro und somit auch ein zu zahlender Elternunterhalt von 1.475 Euro.

Beispielrechnung
Jahresbruttoeinkommen 110.000 Euro
Jährliche Werbungskosten 6.000 Euro
Monatliches Nettoeinkommen 4.950 Euro
Selbstbehalt pro Monat 2.000 Euro
Heranziehbares Einkommen 2.950 Euro
Monatlicher Zuschlag 1.475 Euro
Zu zahlender Elternunterhalt 1.475 Euro

Lassen sich die Unterhaltszahlungen umgehen?

Sofern keine drastischen Gründe gegen die Zahlung des Elternunterhalts sprechen (beispielsweise Misshandlung oder  anderweitige Straftaten) gibt es keine Möglichkeit, um seine Unterhaltspflicht herumzukommen. Viele Familien versuchen, Unterhaltspflichten über eigens aufgesetzte Verträge zu vermeiden, um sich gegenseitig nicht zur Last zu fallen.

Leider sind solche Verträge unwirksam, denn das Gesetz schreibt diese Art der familiären Unterstützung im Bedarfsfall vor. Ob der Anspruch auf den Elternunterhalt beispielsweise durch grobes Fehlverhalten der Eltern verwirkt ist, müssen im Einzelfall dann Gerichte entscheiden.

Tipp: Elternunterhalt von der Steuer absetzen

Wer durch den Elternunterhalt die Pflegekosten seiner pflegebedürftigen Eltern übernimmt, kann diese Kosten als sogenannte „außergewöhnliche Belastung“ steuerlich geltend machen.

Wie ist die Regelung, wenn mehrere Kinder unterhaltspflichtig sind?

Zugegeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass gleich mehrere Kinder nach allen Abzügen oberhalb der Einkommensgrenze liegen, ist gering. In diesem Fall werden alle Kinder anteilig für den Elternunterhalt herangezogen. Die Unterhaltspflicht teilt sich also einkommensabhängig nach den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten auf die Kinder auf.

Nehmen wir einmal an, es gibt drei Geschwister mit unterschiedlichem Einkommen von (A) 50.000 Euro, (B) 110.000 Euro und (C) 200.000 Euro. Während Person A unter die Einkommensgrenze fällt und nicht zur Zahlung des Elternunterhalts verpflichtet ist, sind die beiden anderen zur Zahlung verpflichtet. Bei den beiden verbleibenden Geschwistern B und C ist es so, dass Geschwister C durch das höhere Einkommen in Summe einen höheren Elternunterhalt leisten muss.

Was muss ich tun, wenn ich bisher Elternunterhalt gezahlt habe?

Wenn Sie bisher dazu verpflichtet waren, Elternunterhalt zu zahlen und aktuell weniger als 100.000 Euro verdienen, müssen Sie nichts weiter tun. Durch die Gesetzesänderung zu Jahresbeginn ist die Unterhaltspflicht automatisch erloschen. Erst wenn das Sozialamt davon ausgeht, dass Ihr Einkommen oberhalb der 100.000-Euro-Marke liegt, folgt eine erneute Prüfung der Unterhaltspflicht.

Achtung: Im Gegenzug sind Sie dazu verpflichtet, die Überschreitung der Einkommensgrenze dem Sozialamt zu melden. Wird dies verschwiegen, drohen im Fall einer angesetzten Prüfung und berechtigten Ansprüchen hohe Nachzahlungen.