Palliativpflege

Möglichkeiten, Kosten und Gestaltungswege am Lebensende

Die moderne Medizin weiß heute wahre Wunder zu vollbringen. Nichtsdestotrotz ist sie kein Allheilmittel. In vielen Situationen helfen selbst enormes Engagement und Hightech-Geräte nicht mehr weiter. Doch die betroffenen Menschen sind in dieser schwierigen Situation nicht allein. Mit der sogenannten Palliativpflege existiert eine Disziplin, bei welcher der Mensch in seinem letzten Lebensabschnitt im Fokus steht.

Doch, welche Gestaltungswege bestehen im Rahmen der Palliativpflege? Was passiert während der palliativen Pflege? Und wer trägt die Kosten für die intensive Begleitung? Diese und viele weitere Fragen möchten wir Ihnen in diesem Beitrag beantworten.

Möglichkeiten, Kosten und Gestaltungswege am Lebensende

Was bedeutet Palliativpflege?

Vielen Menschen ist das Wort Palliativpflege durchaus ein Begriff. Geht es um die Bedeutung und deren Umfang, wird das Wissen auch schon deutlich dünner. Immerhin handelt es sich um deutlich mehr als eine einfache Sterbebegleitung. Als Palliativpflege lässt sich ein spezifischer Pflegebereich betrachten, der sich mit der ganzheitlichen Verbesserung der Lebensqualität von unheilbar bzw. lebensbedrohlich erkrankten Patientinnen und Patienten befasst.

Darüber hinaus schließt die Palliativpflege neben der Betreuung der eigentlichen Patienten auch die Betreuung sowie Unterstützung von deren Angehörigen ein. Die Palliativpflege versteht sich hier als durchstrukturierter Prozess, der sich einzig an den Wünschen und Bedürfnissen der Betroffenen orientiert. Wichtig sind allem voran der Patient und sein Umfeld.

Ziel der Palliativpflege ist es nicht, das Leben mit allen nur erdenklichen Maßnahmen und um jeden Preis zu verlängern. Vielmehr geht es darum, Leiden zu lindern, Schmerzen zu nehmen und den sterbenskranken Patienten das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Bestandteil der Palliativpflege sind damit bei weitem nicht nur schmerzlindernde Maßnahmen. Auch das Erfüllen von letzten Wünschen wird häufig als Teil des Prozesses betrachtet.

Die vier Dimensionen der Palliativpflege

Als ganzheitliche Fachrichtung ist die Palliativpflege interdisziplinär ausgerichtet. Sie teilt sich in vier Hauptbereiche auf, wobei sich diese jeweils mit unterschiedlichen Bedürfnissen der Betroffenen befassen. Neben der körperlichen Dimension betrifft dies die soziale, psychische und nicht zuletzt die spirituelle Dimension.

  1. Körperlicher Bereich: Der in der Regel dominante Bereich der Palliativpflege ist der körperliche Bereich. Dieser setzt sich mit den körperlichen Symptomen und Beschwerden des Patienten auseinander. Im ersten Schritt wird analysiert, wo Schmerzen auftreten, wie stark sie sind und welche Ursache vorliegt. Auf dieser Basis erstellen Palliativmediziner einen individuellen Therapieplan.
    Hier steht die Linderung der Beschwerden im Vordergrund, nicht etwa die (in der Regel unmögliche) Heilung. Darüber hinaus gehört auch das regelmäßige Überprüfen und Anpassen des Therapieplans in den Bereich der körperlichen Palliativpflege. Wichtig ist hier etwa die Entwicklung der Schmerzintensität, das Hinzukommen neuer Beschwerden sowie die Reaktion darauf.
  2. Sozialer Bereich: Der Prozess des Sterbens mag völlig natürlich und allgegenwärtig sein. Gerade bei uns Menschen ist der Sterbeprozess bzw. die Gewissheit des Sterbens nichts, was nur uns allein betrifft. Auch das komplette soziale Umfeld wird durch den bevorstehenden Tod beeinflusst. Sowohl nahe Familienangehörige als auch Freunde und Bekannte sind mehr oder minder stark betroffen. Dementsprechend bezieht die moderne Palliativpflege auch einen erweiterten Personenkreis mit ein.
    Man spricht folglich nicht mehr nur von „familiären Angehörigen“, sondern von „Zugehörigen“. Grundsätzlich herrscht der Gedanke vor, dass all diese Personen so gut wie möglich in den Palliativ-Prozess miteinbezogen werden. Ziel ist es, dass neben dem Sterbenden auch die Zugehörigen mit der Situation nicht alleingelassen, sondern professionell betreut werden.
  3. Psychischer Bereich: Natürlicherweise hat vor allem der Betroffene selbst meist stark mit dem Umstand des Ablebens zu kämpfen. Immerhin geben sich Gefühle wie Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit und Angst die Klinke in die Hand. Dementsprechend groß ist die Rolle, die die psychologische Hilfe im Rahmen der Palliativpflege spielt.
    Auch hier handelt es sich um einen langwierigen Prozess, der begleitend zur Schmerztherapie erfolgt. Schließlich lassen sich solche extremen Gefühlslagen nicht von heute auf morgen, sondern nur in zahlreichen kleinen Schritten bewältigen.
  4. Spiritueller Bereich: Die spirituelle Dimension der Palliativpflege geht in der Regel nahtlos aus der psychischen Dimension hervor. In der Gegenwart des sich nähernden Todes kommen bei den meisten Menschen existenzielle Frage auf. Die Themen können dabei durchaus vielfältig sein. Beginnend vom Sinn des Lebens bis hin zum Leben nach dem Tod oder der Konfrontation mit dem Nichts ist vieles möglich.
    Die konkrete Themenwahl ist jedoch abhängig von der Persönlichkeit des Betroffenen. Während rationale Menschen häufig nach rationalen Antworten dürsten, steht bei religiösen Menschen die Auseinandersetzung mit religiösen Themen im Vordergrund. Unabhängig davon ist es die Aufgabe des Palliativteams, die Patienten bei der Sinnfindung des Sterbeprozesses zu unterstützen.

Was passiert bei der Palliativpflege und was macht sie?

Da nun die Teilbereiche der Palliativpflege grob umrissen sind, können wir uns um die Details kümmern. Damit Sie sich ein plastisches Bild von der Palliativpflege machen können, haben wir für Sie einige der wichtigsten Tätigkeiten und Aufgaben zusammengefasst.

  • Umfassende Schmerzbehandlung, wobei keine Rücksicht auf mögliche Spätfolgen genommen wird bzw. genommen werden muss.
  • Umfassende und ehrliche Aufklärung von Patienten und betroffenen Zugehörigen ohne Beschönigungen.
  • Pflegerische Versorgung von A bis Z.
  • Ergänzende Therapien wie Massagen, Aromatherapien oder Entspannungstechniken zur Linderung von Beschwerden.
  • Realisieren von Ablenkung von der akuten Situation durch Gespräche, Musik, Animation zur Wiederaufnahme von Hobbys oder das Lesen bzw. Vorlesen.
  • Unterstützung bei der Akzeptanz des bevorstehenden Todes.
  • Hilfe bei der Umsetzung letzter Wünsche, zum Beispiel beim Besuch bestimmter Orte.
  • Trauerbegleitung und Trauerbewältigung in erster Linie für nahe Zugehörige.
  • Professionelle und dauerhafte Unterstützung durch Psychotherapeuten und Seelsorger.
  • Akute Hilfe im Fall von Angst, Hoffnungslosigkeit oder depressiver Phasen bei Betroffenen und Angehörigen.
  • Ermöglichen des Sterbens in einer würdevollen und möglichst „komfortablen“ Umgebung.

In diesen Phasen läuft die Palliativpflege ab

Die Palliativpflege ist kein statisches Konstrukt. Jeder Patient durchläuft während seines Weges verschiedene Phasen, in denen er auch unterschiedliche Ansprüche stellt. Dadurch ändern sich auch die Behandlungsprioritäten sowie die medizinischen und pflegerischen Maßnahmen, die ergriffen werden. Grob gliedert sich die Palliativversorgung unabhängig vom Ort der Pflege in die folgenden vier Phasen auf:

  1. Therapie-Phase: In der Therapiephase geht es zunächst darum, dass eine Erkrankung als unheilbar erkannt wird. In der Regel erfolgt eine symptomorientierte Therapie der Grunderkrankung, zum Beispiel durch Immun-, Strahlen- oder Chemotherapie. Leitmotiv ist die Kontrolle der belastenden Symptome, die Prophylaxe weiterer Symptome sowie eine Lebensverlängerung. Die Heilung (da nicht möglich) ist nicht das Ziel. Diese Phase ist die längste Phase. Sie kann abhängig von der Erkrankung und dem gesundheitlichen Gesamtzustand Monate bis Jahre dauern.
  2. Care-Phase: Eine Zunahme der belastenden Symptome infolge des Krankheitsfortschritts ist kennzeichnend für die sogenannte Palliativ-Care-Phase. Diese dauert meist wenige Tage bis hin zu einigen Wochen. Der Therapieansatz besteht aus der fortgeführten Behandlung der Grunderkrankung sowie der angepassten symptomatischen Behandlung. Ziel ist neben der Kontrolle der Symptome die Steigerung der Lebensqualität.
  3. Terminal-Phase: Die Terminalphase ist ein Synonym für das Erreichen des Endstadiums der Grunderkrankung. Durch den fortschreitenden Verlauf erstreckt sich das Zeitfenster auf einige Tage. In einigen Fällen beschränkt es sich sogar nur auf Stunden. Im Fokus steht die symptomatische Therapie zur Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen. Weitere Behandlungen finden nicht statt.
  4. Sterbe-Phase: Die finale Sterbephase ist gleichzeitig die Endphase der Palliativpflege. Kennzeichnend ist hier die maximale Symptomorientiertheit. Das bedeutet, dass Schmerzen und andere negative Empfindungen auf ein Minimum reduziert und die Lebensqualität auf ein mögliches Maximum erhöht werden soll. Diese letzte Phase dauert in der Regel einige Stunden, kann jedoch auch bereits nach wenigen Minuten vorbei sein.

Gestaltungswege: Palliativpflege zuhause, im Heim oder im Hospiz?

Auch wenn sich der Begriff Palliativpflege ein wenig nach „Krankenhaus“ anhört, sind die Möglichkeiten deutlich vielfältiger. Wie nicht anders zu erwarten, möchten die meisten Menschen ihren letzten Weg im gewohnten Zuhause beschreiten. Genau darauf haben Betroffene, die unter einer unheilbaren Erkrankung leiden, seit 2007 sogar einen gesetzlichen Anspruch.

Dabei stehen ihnen die gleichen Maßnahmen zu, wie in einem Krankenhaus auf der Palliativstation oder in einem Hospiz. Typisch für die Palliativpflege zuhause ist die Unterstützung der pflegenden Angehörigen durch sogenannte Palliative-Care-Teams. Diese bestehen aus Sozialarbeitern, Seelsorgern, Therapeuten, Pflegepersonal, Ärzten sowie weiteren ehrenamtlichen Helfern, welche die unterschiedlichen Anforderungsbereich abdecken.

Ist die Palliativpflege zuhause nicht möglich oder nicht gewünscht, bietet sich beispielsweise die Pflege im Heim an. Allerdings bieten nicht alle Pflegeheime eine umfassende Palliativpflege an. Gerade bei Pflegebedürftigen, die bereits viele Jahre in einem Pflegeheim verbracht haben, kann die Palliativpflege im Heim eine gute Option sein. Immerhin bleiben sie so in ihrem gewohnten Umfeld bei den ihnen bekannten Menschen.

Wirklich auf die Palliativpflege spezialisiert sind in der Regel nur Hospize, denn sie kümmern sich ausschließlich um Todkranke. Hospize haben sich dabei einem universellen Gedanken verschrieben, der neben der medizinischen Pflege auch die spirituelle und psychische Betreuung umfasst. Hinzu kommt die Ausdehnung des Hospizgedankens auf die Zugehörigen des Todkranken. Hospize unterscheiden sich von Kliniken mit Palliativ-Station dadurch, dass die klassische Krankenhausatmosphäre fehlt.

Tipp:

Es gibt nicht nur stationäre Hospize für die dauerhafte Unterbringung. Alternativ besteht die Möglichkeit, ambulante Hospizdienste in Anspruch zu nehmen. Diese bieten Räume für Begegnungen und Gespräche, unterstützen jedoch auch bei alltäglichen Kleinigkeiten wie Spaziergängen und Co.

Kosten der Palliativpflege

Bei all den komplexen Leistungen der Palliativpflege ist die Frage nach den Kosten und der Kostenübernahme nur allzu offensichtlich. Tatsächlich aber sind Palliativleistungen durch stationäre oder ambulante Dienste für Versicherte in der Regel kostenfrei. Rund 95 Prozent der Kosten werden bei gesetzlich versicherten Patienten durch die Krankenkasse übernommen. Die verbleibende Lücke von fünf Prozent tragen die Hospize bzw. die dahinterstehenden Hospizvereine.

Dieser wiederum finanzieren sich durch das Engagement von ehrenamtlichen Kräften sowie durch Spenden. Zu den kostenfreien Leistungen gehören dabei auch Beratungen für Angehörige. Bei pflegebedürftigen Patienten mit einem anerkannten Pflegegrad übernimmt die Pflegekasse weitere zusätzliche Leistungen.

FAQ – Die wichtigsten Fragen zum Thema Palliativpflege

  • Wann benötigt ein Mensch Palliativpflege?

Die Begriffsdefinition der Pflegebedürftigkeit im Sinne der Palliativpflege umfasst unheilbar kranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Ein Mensch benötigt dann palliative Pflege, wenn keine gesundheitlichen Besserung mehr zu erwarten ist. Die Pflege fokussiert sich dementsprechend darauf, Schmerzen und Symptome zu lindern und das Lebensende damit so angenehm wie möglich zu gestalten.

  • Worin besteht das Ziel der Palliativpflege?

Unter dem Oberbegriff Palliativpflege fasst man die pflegerische und medizinische Betreuung von sterbenden Menschen in der letzten Lebensphase bis hin zu deren Ableben zusammen. Ziel ist es, den letzten Lebensabschnitt, zum Beispiel durch Schmerztherapie und psychologische Begleitung, so komfortabel und schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Bis zum Ende soll durch gezielte Maßnahmen ein gewisses Maß an Selbstbestimmtheit und Lebensqualität erhalten werden.

  • Wer hat Anspruch auf eine palliative Behandlung?

Zahlreiche Menschen haben Anspruch auf Angebote aus dem Bereich der Palliativpflege – und wissen es häufig gar nicht. Grundsätzlich steht unheilbar kranken Patientinnen und Patienten mit fortschreitendem Krankheitsverlauf Palliativpflege bis zum Tod zu.

  • Wo liegt der Unterschied zwischen Palliativstationen und Hospizen?

In der Praxis ist es für die meisten Menschen entscheidend, wo sie ihre letzte Lebensphase verbringen. Neben der Palliativpflege zuhause findet die Begleitung entweder in einem Hospiz oder auf einer Palliativstation statt. Während die Palliativstation eine spezialisierte Station eines Krankenhauses ist, ist das Hospiz eine wohnliche Einrichtung.

Dort leben unheilbar kranke Menschen unter medizinischer Betreuung bis an ihr Lebensende unter „wohnlichen“ Umständen. Bei Palliativstationen im Krankenhaus ist es in der Regel das Ziel, Patienten so weit zu behandeln, um sie medizinisch stabil nach Hause oder in ein Hospiz zu entlassen. Das ist aufgrund medizinischer Notwendigkeiten jedoch nicht immer möglich. Dann findet der letzte Weg auf der Palliativstation statt.

  • Wer übernimmt die Kosten für die Palliativpflege?  

Die Kosten für die Palliativpflege werden von der gesetzlichen bzw. privaten Krankenversicherung übernommen. Das gilt sowohl für die medizinische als auch für die pflegerische Versorgung unabhängig vom Ort der Palliativpflege. Bei pflegebedürftigen Patienten übernimmt die Pflegekasse weitere Leistungen. Im Detail entfallen so ca. 95 Prozent der Kosten auf die Kranken- und Pflegekassen. Die verbleibenden fünf Prozent übernehmen etwa Hospize und Hospizvereine, die sich über Spenden finanzieren.

  • Ist Palliativpflege auch zuhause möglich?

Die Palliativpflege ist nicht auf professionelle Einrichtungen beschränkt. Sie ist unter Zuhilfenahme professioneller Dienstleister sowie der zuständigen Ärzte auch zuhause umsetzbar. Seit 2007 besteht für sterbenskranken Menschen in Deutschland sogar ein Rechtsanspruch auf Palliativpflege in den eigenen vier Wänden.

  • Wie steht es um die finanzielle Absicherung während der Palliativpflegezeit?

Findet die palliative Pflege in den eigenen vier Wänden statt, kommt auf Angehörige in der Regel viel Arbeit zu. Das ist gleichbedeutend mit einer Reduktion der Arbeitszeit oder sogar für eine längere Freistellung. Um in dieser Zeit die finanzielle Sicherheit herzustellen, gibt es nach § 3 Familiengesetz etwa die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen zu beantragen. Der Antrag ist an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) zu stellen.

  • Wie muss ich mit meinem Arbeitgeber kommunizieren?

Wer die Palliativpflege eines nahen Angehörigen übernimmt und dazu eine Freistellung benötigt, muss seinen Arbeitgeber informieren. Dazu ist laut dem Pflegezeitgesetz eine offizielle schriftliche Ankündigung notwendig. Zusätzlich benötigen Sie ein ärztliches Attest, das den Gesundheitsstand Ihres „nahen Angehörigen“ bescheinigt.

Als nahe Angehörige zählen im Übrigen (Adoptiv-/Pflege-)Kinder, Enkel, Schwägerinnen und Schwäger, Geschwister, Ehegatten, Eltern, Großeltern sowie Stiefeltern. Ebenfalls dazu gezählt werden Schwiegereltern, Lebenspartner sowie Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft. Außerhalb dieser Verwandtschaftsbeziehungen besteht kein Anspruch auf eine Freistellung oder die Inanspruchnahme eines zinsfreien Darlehens des BAFzA.