Kieferorthopädische Indikationsgruppen

Welche Gruppen gibt es und was bedeuten sie?

Perfekte Zähne, wie wir sie aus der Werbung und aus Hollywood-Spielfilmen kennen, sind nicht die Normalität. Dennoch trüben die Medien unsere Wahrnehmung des perfekten Gebisses, das weithin ein Schönheitsideal ist. Ganz im Gegenteil sind Zahnfehlstellungen ein Massenphänomen. Dabei sind manche Fehlentwicklungen minimal, andere fallen massiv aus und sollten dringend korrigiert werden.
Um den Behandlungsbedarf genauer einschätzen zu können, wurden die sogenannten kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) entwickelt. Erfahren Sie, was die einzelnen Einstufungen aussagen, was sie bedeuten und wann die Krankenkasse die Kosten für kieferorthopädische Behandlungen übernimmt.

Welche Gruppen gibt es und was bedeuten sie?

Was sind kieferorthopädische Indikationsgruppen?

Bei den kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) handelt es sich um ein spezielles Einteilungsschema des Behandlungsbedarfs im Zahn- und Kieferbereich. Aus diesem Behandlungsbedarf heraus ergibt sich, ob die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Behandlung durch einen Kieferorthopäden übernimmt. Ausschlaggebend ist die medizinische Notwendigkeit.
Rein optische Belange sind in der Regel zweitrangig. Die KIG dienen meist zur Einstufung von Fehlstellungen bei Kindern, zumal die meisten Korrektureingriffe im Jugendalter erfolgen. Aber auch für Erwachsene sind die Indikationsgruppen von Bedeutung, da kieferorthopädische Korrekturen auch im Erwachsenenalter noch möglich sind.

Die kieferorthopädischen Indikationsgruppen auf einen Blick

Abhängig von der Schwere von Fehlstellungen der Zähne und Kiefer sind fünf kieferorthopädische Indikationsgruppen definiert. Diese grenzen sich klar voneinander ab und orientieren sich an unterschiedlichen Merkmalen wie:

  • Offener Biss
  • Tiefer Biss
  • Kreuzbiss (Seitenzahnbereich)
  • Vorstehender Unterkiefer (mesiale Bisslage)
  • Zurückstehender Unterkiefer (distale Bisslage)
  • Zahndurchbruchsstörungen
  • Zahnunterzahl
  • Entwicklungsstörungen im Bereich von Kopf und Schädel
  • Abweichung der Kieferbreite
  • Platzmangel im Mund / Engstand (Kontaktpunktabweichungen)

KIG 1: Der Schweregrad 1 umfasst leichte Zahnfehlstellungen, die beinahe ausschließlich ästhetische Auswirkungen haben. Da eine Behandlung hier lediglich einen Einfluss auf die Optik hätte, übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung die anfallenden Kosten für Korrekturen nicht. In die Kategorie KIG 1 fallen unter anderem Fehlstellungen wie:

  • Die oberen Schneidezähne überragen die unteren Schneidezähne um bis zu 3 Millimeter (distale Bisslage).
  • Der Abstand zwischen der oberen und unteren Zahnkante ist größer als 1 Millimeter (offener Biss).
  • Die oberen Schneidezähne überlappen um 1-3 Millimeter die unteren Schneidezähne (tiefer Biss).
  • Engstand der Zähne, die mit einer Abweichung der Kontaktpunkte von bis zu 1 Millimeter einhergeht.

KIG 2: In die zweite Kategorie fallen deutlicher sichtbare Fehlstellungen. Diese sind zwar gering ausgeprägt, sollten aus medizinischer Sicht jedoch korrigiert werden. Da der Schweregrad nicht ausreicht und die Ästhetik noch immer ein Übergewicht hat, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse auch hier die Behandlungskosten nicht. Typisch sind hier unter anderem folgende Befunde:

  • Die oberen Schneidezähne überragen die unteren Schneidezähne um 3 bis 6 Millimeter (distale Bisslage).
  • Der Abstand zwischen der oberen und unteren Zahnkante ist bis zu 2 Millimeter groß (offener Biss).
  • Die oberen Schneidezähne überlappen um mehr als 3 Millimeter die unteren Schneidezähne (tiefer Biss). Gleichzeitig berühren die Zähne das Zahnfleisch.
  • Engstand der Zähne, die mit einer Abweichung der Kontaktpunkte von 1 bis 3 Millimeter einhergeht.
  • Zähne, die einen Platzmangel von bis zu 3 Millimetern haben.
  • Die oberen und die unteren Schneidezähne stehen „Kante auf Kante“ – (sog. Kreuzbiss).

KIG 3: Ab dem Schweregrad 3 sprechen wir von ausgeprägten Zahnfehlstellungen, deren Behandlung aus medizinischer Sicht erforderlich ist. Fehlstellungen dieser kieferorthopädischen Indikationsgruppe liegen vor, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Die oberen Schneidezähne überragen die unteren Schneidezähne um mindestens 4 Millimeter (distale Bisslage).
  • Der Abstand zwischen der oberen und unteren Zahnkante ist bis zu 2 Millimeter groß (offener Biss).
  • Die oberen Schneidezähne überlappen um mehr als 3 Millimeter die unteren Schneidezähne (tiefer Biss). Anders als bei KIG 2 verletzen die Zähne bei KIG 3 das Zahnfleisch.
  • Engstand der Zähne, die mit einer Abweichung der Kontaktpunkte von 3 bis 5 Millimeter einhergeht.
  • Es liegt ein beidseitiger Kreuzbiss vor.
  • Zähne, die einen Platzmangel von mehr als 3 Millimetern haben.

KIG 4: In die kieferorthopädische Indikationsgruppe 4 fallen stark ausgeprägte Zahnfehlstellungen. Die Fehlstellung fällt nicht nur optisch stark ins Gewicht, sondern bringt auch schwere funktionale Einschränkungen mit sich. Aus diesem Grund ist die Behandlung bei einer KIG 4 aus medizinischer Sicht dringend notwendig. In die Kategorie KIG 4 fallen beispielsweise:

  • Die oberen Schneidezähne überragen die unteren Schneidezähne um 6 bis 9 Millimeter (distale Bisslage).
  • Der Abstand zwischen der oberen und unteren Zahnkante ist bis zu 4 Millimeter groß (offener Biss).
  • Die unteren Schneidezähne ragen bis zu 3 Millimeter vor die oberen Schneidezähne (mesiale Bisslage).
  • Seitenzähne im Oberkiefer stehen zu weit außen oder beißen auf der Außenseite vor die unteren Schneidezähne (Bukkal-/Lingualokklusion).
  • Engstand der Zähne, die mit einer Abweichung der Kontaktpunkte von über 5 Millimetern einhergeht.
  • Es liegt ein einseitiger Kreuzbiss vor.
  • Zähne, die einen Platzmangel von mehr als 4 Millimetern haben.
  • Durchbruchsstörungen bei einzelnen oder mehreren Zähnen.
  • Nichtanlage von einem oder mehreren Zähnen oder Zahnunterzahl durch Zahnverlust.

KIG 5: Beim fünften und höchsten Schweregrad sind die Zahnfehlstellungen extrem stark ausgeprägt. Die Beeinträchtigung ist hier so groß, dass die kieferorthopädische Behandlung zwingend gegeben ist. Zu den typischen Indikatoren für die KIG 5 gehören unter anderem folgende Feststellungen:

  • Die oberen Schneidezähne überragen die unteren Schneidezähne um über 9 Millimeter (distale Bisslage).
  • Die unteren Schneidezähne ragen mehr als 3 Millimeter vor die oberen Schneidezähne (mesiale Bisslage).
  • Offener Biss, bei dem der Abstand zwischen den Zahnkanten mindestens 4 Millimeter beträgt. Meist ist dieser stark ausgeprägte offene Biss angeboren.
  • Durchbruchsstörungen inklusive einer Verlagerung von einem Zahn bzw. mehreren Zähnen.
  • Ausgeprägte Entwicklungsstörungen im Bereich des Kopfes (zum Beispiel Lippen-Kiefer-Gaumenspalte).

Messungen sind für die Beurteilung unerlässlich

Die Entscheidung, ob ein Befund in die eine KIG oder die andere KIG fällt, hängt nicht nur von Millimetern, sondern häufig von Bruchteilen von Millimetern ab. Dementsprechend werden die Messungen mit modernsten Methoden anhand eines Gipsmodells des Kiefers vorgenommen. Das wiederum macht die Einstufung für Krankenkassen, Gutachter, Ärzte und Patienten nachvollziehbar. Außerdem ist auf diese Weise garantiert, dass Entscheidungen zu Behandlung und Kostenübernahme nicht willkürlich, sondern objektiv getroffen werden können.

Warum wurden die KIG eingeführt?

Zahnmedizinische Eingriffe sind für die Krankenversicherungen ebenso wie kieferorthopädische Behandlungen relativ kostspielig. Hintergrund für die Etablierung der KIG war wie so oft das liebe Geld. Ziel der Gesundheitspolitik war es, Kosten für die gesetzlichen Krankenversicherungen einzusparen.
Wie die Vertreter der Krankenversicherer zum Zeitpunkt der Einführung 2003 mitteilten, mussten sie damals die Kosten für über 50 Prozent aller Behandlungsfälle tragen. Darunter auch für viele Fälle, bei denen der Aspekt der Ästhetik deutlich die medizinische Notwendigkeit überwogen hat. Mit den KIG soll die Quote der Kostenübernahme auf unter 30 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig wurden die KIG auch ins Leben gerufen, um Eltern das Nachvollziehen der Diagnosen ihrer Kinder zu erleichtern.

Diese Kosten für Zahnkorrekturen übernimmt die Krankenkasse

Grundsätzlich übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Behandlungskosten für Maßnahmen im Rahmen der KIG 1 und 2 nicht. Das gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Bei Kindern werden die Kosten bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres erstattet, sofern der Befund in die Kategorien KIG 3 bis 5 fällt. Für Erwachsene entfällt dieses „Privileg“. Hier ist die Kostenübernahme nur in schweren Einzelfällen nach vorheriger Prüfung möglich.
Das kann etwa bei massiven Kieferanomalien der Fall sein. Umso wichtiger ist es, dass Sie mögliche Fehlstellungen bei Ihren Kindern so früh wie möglich korrigieren lassen. Gerade bei stärker ausgeprägten Zahn- und Kieferfehlstellungen ist eine kieferorthopädische Frühbehandlung im Alter von vier bis neun Jahren besonders gut möglich.
Da Zahn- und Kieferanomalien auch bei Erwachsenen auftreten können, bleiben viele Menschen auf den Kosten sitzen. Wer ein gesundes und strahlendes Lächeln möchte, ohne dafür einen immensen Kredit aufzunehmen, für den bietet sich eine Zahnzusatzversicherung an. Je nach Tarif winkt hier selbst für kieferorthopädische Maßnahmen eine Kostenübernahme in Höhe von bis zu 100 Prozent.